Hartzen für ein Halleluja

von Georg Kasch

30. April 2012. Wo bitte geht's zur Rampensauna? In der Arbeitsagentur sicher nicht. Und weil die Lage düster aussieht in einer durchökonomisierten Gesellschaft voller prekärer Existenzen, hilft in einer Welt, in der nicht mal Bud Spencer vor dem Schuldnerberater sicher ist, nur: Hartzen für ein Halleluja!

terence hill dorothea tuchAuf dem Speed-Boulevard © Dorothea Tuch

Rasant plaudern sich die Schauspieler des Berliner Kollektivs copy & waste in Jörg Albrechts "Die blauen Augen von Terence Hill" um Kopf und Stütze: Wo die Sperrholzkulissen fallen wie letzte Sicherheiten, sich die Paradoxie als logisches Kernprinzip erweist und Versprecher Freud'sche Erkenntnisse im Kalauerstakkato liefern, ist der ausgebrannte Wahnsinn nicht weit. In Hosen, die kürzer sind als ihre Gedanken, staksen Janna Horstmann, Steffen Klewar, Sebastian Thiers und Mathias Znidarec durch das Speed-Boulevardstück, surfen übergangslos vom TV-Produzenten zum kriminalisierten "Leistungsempfänger" und weiter zum Oberschurken, klappern mit realen und imaginären Türen und seifen ihre Tonspuren, als säuselten sie die Theorie-Leben-Ketten des Herrn Pollesch.

Im Loop der Zitate

Dabei wollen sie ja nur spielen, am liebsten mit großer Gage, im Spot und vorne an der Rampe, wo sie dann ihren Hass auf den Text verkünden ("Hamlet" wär' besser, klar). Aber raus können sie nicht aus diesem Teufelskreis von Arbeit und Nicht-Arbeit, der überall steckt: in Film- und Theaterzitaten, Politikerphrasen, Talkshowgedröhn und Philosophie-Exkursen. Und niemand rettet sie aus diesem Loop, weil die immer siegenden Helden von einst (neben Bud Spencer und Terence Hill müssen auch die Super Mario Brothers in einem hübsch animierten Videospiel ran) längst Opfer des Systems sind.

Dass einem die künstliche H4-World, die auch "Menschen mit temporärem Karriereknick eine tolle Zeit" bietet, trotz der verfremdenden Wunderland-Konturen viel zu bekannt vorkommt, erdet "Die blauen Augen von Terence Hill" dann im Alltagsgrusel. Denn falls alle Stricke reißen, wartet der nächste Fallmanager bestimmt – im Arbeitsamt deines Vertrauens.

 

Die blauen Augen von Terence Hill
von Jörg Albrecht
Regie: Steffen Klewar, Ausstattung: Caspar Pichner, Musik: Matthias Grübel, Video: Ian Purnell, Dramaturgie: Wilma Renfordt.
Mit: Janna Horstmann, Steffen Klewar, Mathias Znidarec, Sebastian Thiers.
www.copyandwaste.de

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