Traumdeutung im Heimatdiskurs

von Esther Slevogt

5. Mai 2012. Wir, die wir aus den Entfremdungs- und Konsumzusammenhängen der großen Städte stammen, stehen manchmal mit faszinierter Ratlosigkeit vor dem, was auch heute noch ins Genre „Volksstück“ fällt. Fasziniert, weil hier oft noch ganz unverstellt archaische Konflikte mit der düsteren Wucht antiker Tragödien verhandelt werden, gesprochene Mundarten weniger naturalistisch denn als zusätzliche Verfremdungs- und Abstraktionseffekte wirken und die dargestellten Lebenswelten, mögen sie noch so sehr aus dem ländlichen Leben gegriffen sein, seltsam unwirklich und zeichenhaft erscheinen. Auch im Stück der 1976 geborenen österreichischen Dramatikerin March Höld „Träumt?“, dessen (geschickt mit diesen Möglichkeiten spielende) Uraufführung durch Carina Riedl am Wiener Volkstheater nun beim Stückemarkt zu sehen war.

Hund, Hase, Mann, Frau

Auf düsterer Bühne eine Frau und ein Mann, schwoofend eng aneinander geschmiegt. Oder doch eher verkrallt? Sie tragen billige Faschingsmasken. Er die eines bulligen Hundes, sie eine Hasenmaske. Bald wird das seltsame Paar wie zum Applaus an die Bühnenrampe treten, sich verbeugen, um dann jeder auf einer Bühnenseite sich der Maske zu entledigen und die Kleidung für folgende Szene überzustreifen. Das Leben, ein Spiel? traeumt2 marko lipus"Träumt" © Marko Lipus

Nach jeder, der insgesamt sieben Szenen wiederholt sich dieser Vorgang, in denen die Schauspieler Nina Horváth und Günther Wiederschwinger immer andere Mann-Frau-Konstellationen spielen: einen dementen Vater und seine ihn versorgende Tochter, Ehemann und Ehefrau, Mutter und Sohn, alter Mann und Krankenschwester. Die Zwischenspiele werden immer gespenstischer, grausamer, bis zum Mord. Alles scheint zusammenzuhängen, auch familiär. Doch wie, das bleibt abgründig offen. Lose verbindet nur das Alptraummotiv von den Soldaten unterm Teppich das Geschehen: Gespensterarmeen aus einer verdrängten Vergangenheit? Dämonen gegenwärtiger Kriege?

„Träumt?“ fragt bereits der Titel dieses finsteren Kammerspiels und führt in eine Welt, die den Traum wie eine Krankheit bekämpft und Gespräche über Alltägliches wie Ausflüchte wirken. Urösterreichische (aber lange als äußerst unösterreichisch verfemte) Erfindungen wie die Psychoanalyse und Traumdeutung werden in den düsteren Heimatdiskurs integriert. So recht aber kommt der intensive Abend damit zu keinem Ziel. Verfängt sich in einem seltsamen Fatalismus, der es sich am Ende etwas leicht mit seinen schweren Fragen macht. Womit einem als Zuschauerin nur die Ratlosigkeit bleibt.


Träumt?
von March Höld
Regie und Bühne: Carina Riedl, Kostüm: Katharina Kappert, Musik: Arthur Fussy.
Mit: Günther Niederschwinger und Nina Horváth.

www.volkstheater.at

Kommentare   

+3 #2 harr 2012-05-06 16:21
also wenn man das stück nicht verstanden hat,
dann muss man wohl "eine stunde lang nichts" schreiben.
ich fand es wunderbar
#1 zu netthilibilli 2012-05-06 11:17
Also ich finde den Text hier viel zu nett. Eine Stunde lang: Nichts. Keine Konstellationen, keine Spannung, kein Timing, keine Atmosphäre, keine Bilder...
Es grenzt an ein Kunststück, soviele Einzelelemente so zu kombinieren, dass alles verpufft als wäre da überhaupt nichts.

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