Mit einem Baumwollflusen um die Welt

von Georg Kasch

7. Mai 2012. Dieser Abschluss war dann noch mal eine Punktlandung unter den nach Heidelberg eingeladenen Uraufführungs-Inszenierungen: Philipp Löhle hat mit „Das Ding“ eine hochnotkomische Menschheitskomödie geschrieben, der die schwarze Galle aus allen Poren schwitzt. Alles hängt hier mit allem zusammen, Afrika, China und Deutschland sind nur einen Klick und einen Stuhl entfernt: das deutsche desillusionierte Paar Katrin und Thomas, Katrins Bruder Patrick, der zum Kunstwunderkind hochgejubelt wird wegen eines Zufallstreffers und der eine Schuld mit sich herumschleppt. Die Chinesen Li und Wang, die ein Unternehmen gründen, um mit der Baumwolle des Afrikaners Siwa T-Shirts zu produzieren, einer Baumwolle, die dank des Schweizer Gutmenschen (und Katrins Ex-Freund) Beat zwar öko ist, aber kaum mehr etwas einbringt.

Netz aus Schicksalsfäden

Sie alle verbindet das titelgebende Ding, eine Baumwollfluse, die Teil eines Fussballtrikots wird, auf wundersame Weise Leben rettet und am Ende wieder dort landet, wo es herkam. Weil aber in Löhles pointiertem Text das Schicksal ziemlich leichtfüßig daherkommt und es unter den vielen Fäden auch welche gibt, deren Verknüpfungen Interpretationsspielräume lassen (etwa die Eingangsszene, in der der Entdecker Magellan dem portugiesischen König die Möglichkeit einer Erdumrundung erklärt), stellt „Das Ding“ Roland Schimmelpfennigs Erfolgsstück „Der Goldene Drache“ locker in den Schatten. dasding kerstinschomburg"Das Ding" © Kerstin Schomburg

Zumal in Jan Philipp Glogers Uraufführungsinszenierung am Hamburger Schauspielhaus, der fünf fabelhafte Schauspieler leicht und lustvoll durch die Rollen jagt. Zwischen zwei Segeln sitzen sie auf der leeren Spielfläche, holen sich aus zwei Kartons, was sie an Requisiten brauchen und überspringen lässig Zeit und Raum. Liebevoll kitzeln sie Löhles ironische Pointen hervor, einmal taumelt Beat mit Baumwoll-Ast in der Hand zu Michael Jacksons „Earthsong“ über die Bühne,  dann verzerren sich Patrick und seine Kumpel beim Fußballspiel in Zeitlupe, dann wieder feuert Thomas, der biedere Reststoffverwerter, das Publikum auf, ihn Schlappschwanz zu nennen. Dass die fünf aber hinter jedem Witz einen Abgrund wissen und ihn als Melancholierand mitspielen, macht diesen Abend groß.

 

Das Ding
von Philipp Löhle
Uraufführung
Regie: Jan Philipp Gloger, Bühne: Judith Oswald, Kostüme: Karin Jud.
Mit: Maria Magdalena Wardzinska, Stefan Haschke, Martin Wißner, Tim Grobe, Janning Kahnert, Alva/Paula Diederich.
www.schauspielhaus.de

 

Zur Nachtkritik der Premiere, die bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen in Kooperation mit dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg stattfand.

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