Freiheitswunderland

von Esther Slevogt

4. Mai 2012. Dass dies ein schöner Abend wird, das weiß man schon, wenn man in den Zuschauerraum kommt. Nicht nur, dass das kleine Heidelberger Kino, das während des Theaterumbaus Ersatzspielort ist, wie geschaffen für diesen Stoff ist, der sein ironisches Pathos, seine krachenden Stoffzitate aus dem Kino bezieht. Auch der junge Mann in der Mitte, der in Cowboyoutfit auf einem gesattelten Bürostuhl im Bühnenzentrum steht, Whiskey trinkt und grunzende amerikanisch klingende Männerlaute von sich gibt, charmiert hemmungslos mit dem Publikum, bevor der Abend überhaupt begonnen hat. Links ein Musiker, der kernig-melancholische Folksongs spielt. Rechts eine gebastelte Miniaturwesternlandschaft auf Papier und ein Kameramann, der hier die geschnipselten Kakteen, Eisenbahnzüge und Western-städtische Häuserfronten auf die Leinwand überträgt. wenn-du-merkst klaus gehreAbsteigen Cowboy © Klaus Gehre

Und es wird auch ein wunderbar charmanter Abend, den uns Torben Kessler als Schauspieler, Michael Lohmann als Musiker und Klaus Gehre als virtuoser Multitasker bescheren. Während letzterer die Papiermodelle bewegt, filmt er sie gleichzeitig, manchmal auch richtet er die Kamera auf Torben Kessler, der zwei Barbiepuppen Richtung Objektiv hält, mit denen er seine Geschichte erzählt, dabei singt, spielt, reitet, mit akrobatischer Finesse gezeichnete Züge auf der Leinwand erklimmt, Banken ausraubt, Goldbarren zu schleppen versucht oder einfach im Dollarregen steht.

Individualität in der Puppenstube

Da macht es auch nichts, dass nicht immer ganz klar ist, worum das Stück eigentlich geht. Wir hören von Bankräuber Butch Cassidy, oder vom Ritter Kunibert, der so gerne frei wäre und irgendwo unterwegs. Von schweren Goldbarren, die seine Freiheit unterwegs garantieren sollen, aber der Reise im Wege stehen. So erfindet er das Papiergeld, das leichte. Man ahnt, hier geht es um, die Zusammenhänge von Geld und Freiheit, Liebe und Individualität. Aber wer so hinreißend leicht und hintersinnig fröhlich die kleine Theatermaschinerie in Gang zu setzen versteht, der produziert soviel Zuschauerglück, dass man mehr von diesem Abend gar nicht will, als nur zu ahnen, was hier verhandelt wird. Weil die Freiheit, um deren Bedingungen es geht, in den Leerstellen dieses Abends fast physisch erfahrbar wird. Mehr wäre da weniger gewesen.

Wenn Du merkst, dass Dein Pferd tot ist, dann steig ab
von Klaus Gehre
Text: Klaus Gehre, Torben Kessler, Michael Lohmann, Regie, Bühne, Video: Klaus Gehre. Musik/Sound: Michael Lohmann.
Mit: Torben Kessler
www.schauspielfrankfurt.de

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