Ein Afrikaner im Schwabenland

von Simone Kaempf

28. April 2012. Man ist versucht zu sagen, dass Perspektivverschiebung nicht das Thema dieses Abends ist. Mit den fünf Schauspielern der Mutiny Group unter Leitung von Mohamed El Tayaa schauen zwar ägyptische Theatermacher auf einen Text, der aus Deutschland auf einen Afrikaner in Europa schaut. Aber es ist eine hart am Originaltext gehaltene Inszenierung. Im kargen dunklen Raum, wenn auch von innerer Glut getrieben, erzählen sie die Geschichte von Mehdi, dem Flüchtling, der sich erst am Strand einer Kanarischen Insel an Land rettet und dann bei Moritz und seine Mutter im Stuttgarter Wohnzimmer Unterschlupf sucht.

letztesterritorium mutinygroup© Mutiny Group

Auf sechzig Minuten konzentriert sich die Erzählung. Eine Mischung aus kurzen Auftritten, Lichtwechseln und realistischer Spielweise. Ab und an schnurren auf Rollen schwarze Monolithe über die Bühne. Im schnellen Spiel geht die eigentliche Verschiebung fast unter, die Anne Habermehl in ihr Stück geschrieben hat: dass die Figur des Flüchtlings so gar nicht den Erwartungen entspricht und, sich selbst als Spießer bezeichnend, ins schwäbische Stuttgart besser passt als Moritz, dessen Selbstentfremdung am Ende in die Katastrophe führt.

Verallgemeinerung und Sog

Musikeinlagen aus unterschiedlichen nordafrikanischen und Nahost-Ländern sollen wohl unterstreichen, dass es der Mutiny Group auf die symptomatische Flüchtlingsgeschichte ankommt. Aber der Verallgemeinerungswunsch hat seinen Preis: Streckenweise wirkt die Aufführung allzu nachgespielt. Man bekommt nicht zu packen, wie sich der Regisseur eigentlich zum Stoff verhält, und erfährt erst im Publikumsgespräch, dass es gezielt darum geht, keine der beiden Seiten schuldig zu sprechen.

Aber die Irritation entwickelt auch ihren Sog. Vor allem die Deutung der Frauenfigur wirft hier die interessantesten Fragen und meisten Rätsel auf: Wo Mutter Melanie bei Anne Habermehl Selbstbestimmung und Eigenständigkeit eingeschrieben ist, wird sie von der ägyptischen Schauspielerin Salwa Ahmed als zurückhaltend und wenig handelnd interpretiert. Und spürt doch, dass in dieser scheinbar kulturell bedingten Spielweise auch eine Interpretation über ein europäisches Gefangensein in den Verhältnissen steckt.

 

Letztes Territorium
von Anne Habermehl
Gastspiel Mutiny Group für Arts, Alexandria
Regie: Mohamed El Tayaa. Mit: Salwa Ahmed, Ahmed Askar, Eslam Awad, Mohamed Moursi, Mohamed Roushdy.
www.theaterheidelberg.de

 

Die Autorin Anne Habermehl über ihre afrikanischen Erfahrungen

Zum Essay über die ägyptische Theaterlandschaft

Kommentare   

#1 keinen ZugangFrederik 2012-04-29 21:36
hier lief offensichtlich die Förderung schief. Warum muss so eine Truppe so einen Stoff behandeln? Kein Zugang und halbherziges Spiel ist das Resultat! Wahrscheinlich wären sie an eigenen Themen näher dran...

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